Barbara H.
Ich war bis zu meiner Anstellung an einer Berufsschule für gewerbliche Berufe bei einer Bank als Kreditsachbearbeiterin tätig. Die Reaktionen meiner Umgebung in Bezug auf meinen Berufswunsch, Lehrerin zu werden, waren ziemlich eindeutig: „Die Jungs werden dich fertigmachen!“ Dies war noch eine der positiveren Meldungen. Nichtsdestotrotz war ich von meiner Entscheidung überzeugt und wurde Lehrerin. Damals war ich 24 Jahre alt, „Frischfleisch für unsere Lehrlinge“. Ich holte mir Rat von erfahrenen Lehrern: „Disziplin, Disziplin, Disziplin!“ Das wurde eines der wichtigsten Wörter meines Unterrichtsstils. In meinem ersten Jahr habe ich sehr viel Energie mit „Schreien“ und „Zurechtweisen“ verschwendet. Sodann eilte mir bereits der Ruf der strengen Lehrerin voraus. Ein Schüler hat meine Person bei einer Evaluierung zur damaligen Zeit recht nett umschrieben: „Sie sieht sehr nett aus, aber wehe sie macht den Mund auf.“ Das gemeine an meiner Person war, dass ich sehr unberechenbar war. Auf einmal bin ich explodiert. Ich muss mich heute noch bei meinen Schülern bedanken, die mich „ertragen“ haben. Heute weiß ich, dass ich nur versucht habe, meine Unsicherheit zu überspielen. Von meiner Selbstsicherheit waren meine Schüler überzeugt, aber als Mensch hielten sie mich wahrscheinlich für ein bisschen verrückt.
Nachdem ich immer selbstsicherer wurde, veränderte sich auch meine Haltung den Schülern gegenüber. Ich war der Überzeugung, dass ich ihnen begreiflich machen muss, warum der Lernstoff so wichtig für ihr zukünftiges Leben ist. Da war die nächste Enttäuschung natürlich vorprogrammiert. Einen 16-Jährigen interessiert nicht wirklich, wie er Geld bei der Aufnahme eines Kredites sparen kann. Ich wollte alles mit meinen Schülern ausdiskutieren. Das hat meistens wieder zu einer Verzweiflung und Explosion meinerseits geführt. Damit möchte ich aufzeigen, dass Veränderungen auch ein Misserfolg sein können, jedoch für eine weitere Entwicklung unbedingt erforderlich sind. Ich habe daraus gelernt, dass meine Schüler nicht so sehr an der Zukunft, sondern vielmehr am „Jetzt“ interessiert sind. In diesem Sinne habe ich meine Beispiele ihrem Alltag angepasst, und siehe da, das Interesse war geweckt! Nun werden viele denken: „Das ist eh logisch!“, aber leider ist es oft so, dass das Logische im Schulalltag nicht immer zur Anwendung kommt.
Nach acht Jahren Schuldienst habe ich bestimmt schon meine Eigenheiten. Jedoch bekomme ich durch mein Studium der Schulberatung und Schulentwicklung und vor allem durch mein Interesse immer wieder Inputs, die ich aufgreife und daran versuche, mein Verhalten zu reflektieren. Mein derzeitiges Leitbild für meinen Unterricht: Ich bin zu meinen Schülern ehrlich. Ich habe keine Angst davor, ihnen zu sagen, wie es „mir“ geht. Ich achte nach wie vor auf Ordnung und Disziplin. Ich versuche „gerecht“ zu sein. Unter Beachtung dieser Punkte bin ich zurzeit in meinem Unterricht sehr erfolgreich. Ich glaube, meine Schüler akzeptieren meine Regeln des Unterrichts, weil ich sie als „Mensch“ akzeptiere. Ein Beispiel: Jeder Mensch ist manchmal „schlecht drauf“. Ich sage meinen Schülern, dass ich heute nicht gut gelaunt bin. Und „unglaublich, aber wahr“, sie nehmen darauf Rücksicht! Aber auch meine Schüler haben das Recht, schlecht gelaunt zu sein.
Mein Fazit: Ich sehe es als ein Geschenk, Lehrerin sein zu dürfen!